Sensationsfund: Bald Tausend Jahre Schachverein Seubelsdorf?

von | Apr 1, 2024 | Aktuelles, Verein

Der Schachverein Seubelsdorf (SVS) hat sich bislang auf die Feier seines hundertjährigen Bestehens vorbereitet, die für 2029 ins Haus zu stehen schien. Ein sensationeller Handschriftenfund könnte nun zeigen, dass es den SVS nicht erst seit 1929 gibt, sondern bereits seit 1029.

Nach neuesten archäologischen Erkenntnissen wurde der Lichtenfelser Raum viel früher besiedelt, als bisher angenommen (siehe https://www.infranken.de/lk/lichtenfels/spektakulaere-grabungsfunde-geschichte-von-lichtenfels-muss-neu-geschrieben-werden-art-5847742). Daher werden derzeit verstärkt auch schriftliche Zeugnisse gesucht, die dies belegen können. Bei einer paläologischen Untersuchung der alten Bücherbestände in der Bamberger Staatsbibliothek fiel ein loses und scheinbar leeres Blatt auf. Bei näherer Betrachtung zeigten sich darauf Kritzelspuren. Eine starke U.V.-Lampe ließ ein mit Geheimtinte geschriebenes Gedicht sichtbar werden, das in spätmittelalterlichem Latein gehalten ist und mit zeittypischen Hinkhexametern folgendermaßen anhebt:

Miser o nisi convocassem

Ludum regium libenter ludentes

Turpiter nec expulsissem

Paene omnes in Villa Sigebolti residentes!

Frei und in Prosa übersetzt bedeutet dies:

„O ich Elender – hätte ich die Liebhaber des Schachspiels nicht zusammengerufen, dann wäre Seubelsdorf durch mich nicht schmachvoll entvölkert worden!“

Der anonyme Urheber dieses Gedichts stellt sich in der Folge als ein weitgereister Gelehrter aus dem Gebiet um den Obermain vor. An jenem Fluss habe er einen altertümlichen Spielstein gefunden und als einen Springer des Schachspiels erkannt. Dieser Fund, dem er im Nachhinein verhängnisvollen Einfluss zuschreibt, habe ihn dazu verleitet, einen kompletten Figurensatz nebst Brett anzufertigen. Bald schon habe sich „anno Domini MXXIX“, also im Jahr 1029, um ihn dann in besagtem Seubelsdorf eine Vereinigung („sodalitas“) derer gebildet, die gerne diesem Spiel frönten und die dem Schach dann immer häufiger untereinander und schließlich auch mit Gleichgesinnten aus der näheren und weiteren Umgebung huldigten. Schließlich hätten sie unseren Dichter sogar zum „magister ludi“ (Vereinsvorsitzenden) gewählt.

Ein Schatten habe sich aber über dieses fröhliche Treiben gelegt: Seinerzeit sei die Furcht vor der kimmerischen Pustelpest umgegangen. Als sich der Verfasser des Gedichtes eines Tages nach dem Mittagsschlaf erhob und zu einem von ihm anberaumten Schachturnier in Seubelsdorf begab, seien fast alle Bewohner, denen er begegnete, panisch geflohen. Zu spät merkte der Schachbegeisterte die roten Punkte auf seinem Gesicht. Er sei zurückgeblieben und hätte den Ausbruch der Krankheit als gerechte Strafe erwartet. Bald darauf entdeckte er in seinem Bett aber die wahre Ursache seiner Symptome in Gestalt eines Flohs und erkrankte mitnichten. Die Hals über Kopf Davongelaufenen blieben aber unauffindbar verschwunden. Eine einzige Familie habe sich aus Liebe zum königlichen Spiel der allgemeinen Flucht nicht angeschlossen und daher alsbald den Spitznamen „Schach“ oder im damaligen Dialekt „Zach“ bekommen.

Der Erste Vorsitzende des SVS, Kilian Mager, reibt sich angesichts dieser Entdeckung freudestrahlend die Hände: „Es ist offenkundig, dass sich seither eine ungebrochene Schachtradition in Seubelsdorf erhalten hat. Wir werden 2029 also nicht hundert, sondern tausend Jahre Schachverein Seubelsdorf feierlich begehen!“

Weit über die Region hinaus sorgt dieser Textfund für immenses Aufsehen.  Der Weltschachverband FIDE hat dem SVS als dem ältesten Schachverein überhaupt bereits gratuliert. Der Bundeskanzler wollte heute (1. 4. 2024) dem Vereinsvorstand vor Ort gratulieren. Wie sein Sprecher bekannt gab, scheiterte dies kurzfristig an einer Gedächtnislücke. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass so etwas schon einmal passiert ist“, so der Regierungschef wörtlich. Dafür bekundete eine als Steuergeflüchtete anerkannte Politikerin in einem Glückwunschtelegramm aus Basel ihr Entzücken darüber, dass es binnen weniger Jahre auch in Seubelsdorf etwas Tausendjähriges zu feiern gäbe.

Die Welt der Wissenschaft befindet sich ebenfalls in heller Aufregung. In der Band 69 der Zeitschrift „Actus et potentia. Beiträge zur Begriffsgeschichte des Mittelalters“ wird darüber diskutiert, ob der im Gedicht geschilderte Vorfall zu der Redewendung „Sie FLOHEN vor …“ geführt haben könnte. Sagenforscher wiederum sind sich nahezu einig, dass die überstürzte Flucht der Seubelsdorfer den Grundstein für die Erzählung gelegt haben könnte, wie die Querkerla sich über den Main setzen ließen und am anderen Ufer hurtig verschwanden.

Ein kleiner Wehmutstropfen mischt sich allerdings in all die Euphorie. Das Gedicht endet nämlich folgendermaßen: Der anonyme Erzähler vergräbt den dereinst gefundenen Springer reuevoll am Lichtenfelser Marktplatz und will sich noch einmal ausruhen, bevor er sich in eine Grotte unter dem Staffelberg zurückzieht…

Calculum vix sepuleram

Requietus sum in schola.

In meo somnio videram

Judicem monachi vestitum stola!

Dixit Te salvatum ire spero

Cum salix creverit apud calculum ex ferro.

Zu Deutsch: “Kaum hatte ich den Spielstein begraben, ruhte ich mich in der Studierstube aus. In meinem Traum sah ich einen Richter im Möchsgewand! Er sprach: Ich hoffe, dass du Erlösung findest, wenn bei dem Stein eine Weide aus Metall gewachsen ist.“

Ein kritischer Beitrag in „Vom Main zur Juristik. Strafwürdiges aus Oberfranken“ mutmaßt, dass es sich dabei um ein sogenanntes vaticinium ex evento handelt, eine nur scheinbare Weissagung, die ein bereits eingetretenes Ereignis zum Inhalt hat, in diesem Fall die beim Lichtenfelser Archiv der Zukunft erbaute Metallweide. Demnach müsste der Text einer etwas späteren, auf das frühe 21. Jahrhundert hindeutenden Datierung unterzogen werden. Allerdings gibt es eine historische Aufnahme, die für die Echtheit jener Erscheinung sprechen könnte (hier im Bild). Es bleibt spannend…