High Noon für ein Hippo

von | Nov 24, 2019 | 1. Mannschaft, 1. Mannschaft 2019/20

Nach fulminanter Rückkehr mit einem 6,5:1:5 zum Auftakt lief die erste Mannschaft des Schachvereins Seubelsdorf in den nächsten beiden Runden dem nötigen Quäntchen Glück trotz guter Einzelleistungen hinterher.

Aufgrund des Ausfalls etlicher Stammspieler, von denen einer krankheitsbedingt kurzfristig abgesagt hatte, kamen die Seubelsdorfer in der zweiten Runde bei einem Auswärtsspiel in Höchstadt an der Aisch in Unterzahl nur zu einem 2,5:5,5. Einen ganzen Punkt holte dabei als einziger Tobias Kolb, dessen Leistungskurve ungebrochen nach oben zeigt.

In der dritten Runde gelang es SVS I im Heimspiel gegen die Erste aus Nordhalben immerhin mit einer kompletten Achtermannschaft anzutreten, auch wenn wieder zwei Stammspieler fehlten.

Dass dies ohnehin keine leichte Aufgabe sein würde, war von vornherein klar, sind die Nordhalbener doch ein sehr beständiges Team, das die Bezirksoberliga schon mehrfach getoppt hat, nicht zuletzt, weil es an den beiden Spitzenbrettern von den beiden überaus erfahrenen Brüdern Horst und Stefan Wunder geleitet wird.

An drei Brettern glich sich das Geschehen auf eigentümliche Weise: Eine Seite griff an, erlangte dadurch positionelle Vorteile, bekam dann aber Angst vor der eigenen Courage, sah drohende Gefahren, wo gar keine waren, und stimmte daher einer vom Gegner dankbar angenommenen Punkteteilung zu.

Bei Uwe Voigt an Brett 5 ereignete sich dies zuungunsten, bei Tudor Fosca Lutz an Brett 6 und bei Hans-Jürgen Drechsel an Brett 7 zugunsten von Seubelsdorf.

Zumindest Voigt hätte seine Partie weiterspielen sollen. Zwar sah es zum Zeitpunkt des Friedensschlusses nicht schlecht für Seubelsdorf aus, aber das sollte sich alsbald ändern.

Marko Hofmann verleitete die feindliche Dame an Brett 3 dazu, auf Bauernjagd zu gehen. Doch versäumte er es, dies für einen entscheidenden Zeitgewinn auszunutzen. Nach einer Abwicklung ins Endspiel war er hoffnungslos unterlegen und musste kapitulieren.

An Brett 3 versuchte Mannschaftskapitän Christian Gebhardt, eine leichte materielle Einbuße wettzumachen, vergrößerte sie aber nach einem Versehen nur noch mehr. Auch er musste sich schließlich einer erdrückenden Übermacht beugen. So befand sich Seubelsdorf unversehens mit zwei Zählern im Rückstand.

In den drei verbliebenen Partien erhöhte sich unterdessen die Schlagzahl, ging es doch gegen 12 Uhr auf die Zeitkontrolle zu, bis zu der 40 Züge absolviert sein mussten.

An Brett 2 hatte es Tobias Kolb mit einem „Hippopotamus“ zu tun. In diesem Eröffnungssystem, das ihm Stefan Wunder vorgesetzt hatte, wagt sich der Schwarze nur mit einigen wenigen Bauern nach vorne und bleibt ansonsten, wie eben so manches Flusspferd, untergetaucht. Wer dagegen zu ungestüm vorgeht, kann leicht vom wuchtigen Gegenschlag überrollt werden. Kolb ließ indessen die Mittagszeit zum High Noon für den Hippo werden: Er drang mit seinen Figuren langsam aber gewaltig in die gegnerische Position ein. Nachdem er Turm gegen Springer gewonnen hatte, sah es kurzfristig danach aus, als sei er dafür zurückgeworfen worden. Mit zwei Kraftzügen machte er sich aber wieder zum Herren des gesamten Brettes und damit erneut zum Sieger in einem Spitzenspiel.

Die beiden noch verbliebenen Partien am ersten und am letzten Brett gerieten zu epischen Schlachten, die sich über die gesamte Spielzeit erstreckten.

An Brett 1 sicherte sich Jürgen Gegenfurtner gegen den zweiten „Wunderbruder“ in einem zähen positionellen Ringen leichte, aber nachhaltige Pluspunkte, nämlich Raumvorteil und das Läuferpaar. Allerdings drohte sein Gegenüber ständig damit, die Stellung endgültig zu verriegeln, was Gegenfurtner stets gerade noch zu verhindern wusste.

Gegen eine Bauernwalze am Damenflügel setzte Alexander Eslauer an Brett 8 darauf, den gegnerischen König in Bedrängnis zu bringen, auch indem er seine eigenen Bauern am Königsflügel nach vorne drückte. Sein Gegenspieler verschaffte sich dabei zwar gefährliche Freibauern, geriet darüber aber in haarsträubende Zeitnot. Nachdem diese überstanden war, blieb dem Seubelsdorfer trotz hartnäckiger Gegenwehr nur die Aufgabe.

Damit war das Match zwar schon entschieden, Gegenfurtner ließ es sich aber nicht nehmen, seine Partie zu einem glanzvollen Ende zu führen. In einer Links-Rechts-Kombination deutete er zunächst einen Einbruch auf dem Königsflügel an, wandte sich dann zur anderen Brettseite, wohin sich der feindliche Monarch inzwischen geflüchtet hatte, öffnete dort eine Linie und gewann nach einem gefälligen Opfer mit einem klassischen sogenannten Epauletten-Motiv: Der König, auf den er es abgesehen hatte, erstickte inmitten seiner eigenen Schwerfiguren.

Die knappe 4,5:3:5-Niederlage gegen einen Favoriten der Liga ließ das Seubelsdorfer Potenzial zwar erahnen, erhöht allerdings den Druck, dieses Potenzial in den nächsten Runden auch zur Geltung zu bringen.

3 SV Seubelsdorf 1 DWZ FC Nordhalben 1 DWZ 3½ – 4½
1 1 Gegenfurtner, Jürgen 2323 1 Wunder, Horst 2073 1 – 0
2 2 Kolb, Tobias 2125 2 Wunder, Stefan 1989 1 – 0
3 5 Hofmann, Marko 1962 3 Müller, Sven 1784 0 – 1
4 6 Gebhardt, Christian 1880 4 Burgemeister, Wolfgang 1906 0 – 1
5 7 Voigt, Uwe, Prof. Dr. 1843 5 Scherbel, Hans 1882 ½ – ½
6 8 Focsa Lutz, Tudor 1330 6 Schultes, Dieter 1813 ½ – ½
7 10 Drechsel, Hans-Jürgen 1507 7 Stumpf, Hilmar 1742 ½ – ½
8 14 Eslauer, Alexander 1326 8 Zimmermann, Frank 1770 0 – 1
Schnitt: 1787 Schnitt: 1869